Ein «Zückerchen» in der Pflegeausbildung
Text: Daniel Göring, Fotos: Tino Kistler
Ursula Bigler und Stana Bozic sitzen in einem Besprechungsraum im Spital Interlaken. Vor sich haben die Leiterinnen Bildung in der Akut- und der Langzeitpflege einen Computer, auf dem eine Übersichtsliste eingeblendet ist. Es handelt sich um ihre grobe Planung für den Austausch von Lernenden in der Pflege. 2025 erhalten acht junge Frauen und Männer, die sich bei der Spitäler fmi AG zur Fachperson Gesundheit ausbilden lassen, die Gelegenheit für einen temporären Abtausch ihres Einsatzfeldes. Je zwei Lernende aus dem Spital Interlaken können einige Wochen in den Seniorenpark Weissenau und vom Spital Frutigen in den dortigen Seniorenpark wechseln. Und je zwei weitere Auszubildende gehen in Interlaken und Frutigen den umgekehrten Weg.

Teamarbeit am Bildschirm: Jael von Känel und Yaël Lörtscher bei der Pflegeplanung.
Spannende Möglichkeiten bieten
«Die Gesellschaft verändert sich, die Menschen werden älter und haben oft mehrere Krankheiten gleichzeitig. Es ist unser Anliegen, die Ausbildung so zu gestalten, dass die jungen Berufsleute optimal für die sich erweiternden Anforderungen gerüstet sind», erklärt Ursula Bigler. Deshalb haben die beiden Leiterinnen Bildung in der Pflege entschieden, das Modell, welches im Spital Frutigen schon länger Praxis ist, auch auf die Standorte in Interlaken auszudehnen. Im Frühling findet der Wechsel der vier Lernenden in Frutigen statt, im Herbst dann in Interlaken.
«Wir wollen innovativ sein und unseren Auszubildenden spannende Möglichkeiten bieten, ihren beruflichen Horizont zu erweitern» ergänzt Stana Bozic ihre Kollegin. So könne eine lernende Person aus dem Spital sich zum Beispiel zusätzliches Wissen über die Betreuung von Menschen aneignen, die an einer Demenz leiden. «Das wird ihr helfen, wenn sie eines Tages im Spital eine Patientin oder ein Patient mit diesem Krankheitsbild pflegt», verdeutlicht Stana Bozic den Nutzen des Austauschs. Handkehrum, ergänzt Ursula Bigler, biete sich den Lernenden aus den Seniorenparks die Möglichkeit, im Spital alltägliche medizinische Massnahmen wie Blutentnahme oder Verbandswechsel zu üben.
«Wir wollen innovativ sein und unseren Auszubildenden spannende Möglichkeiten bieten, ihren beruflichen Horizont zu erweitern.»
Interdisziplinarität stärken
Die zwei Leiterinnen Bildung sehen die kurzzeitigen Jobwechsel auch als klares Bekenntnis zur Interdisziplinarität, die in der Berufswelt immer mehr an Bedeutung gewinnt. «Je mehr Kompetenzen eine junge Fachperson in Bereichen aufweist, die über ihr direktes Berufsfeld hinausgehen, desto besser ist sie auf ihre Karriere vorbereitet», hält Ursula Bigler fest. Stana Bozic unterstreicht die Aussage, indem sie auf eine Besonderheit hinweist, vor welcher beispielsweise eine Fachperson Pflege abhängig vom Alter der zu behandelnden Person bei einer Blutentnahme stehen kann: «Junge Menschen haben in der Regel gut sichtbare Venen, die man leicht stechen kann. Bei einer betagten Person hingegen, die vielleicht noch dehydriert ist, lässt sich nicht so einfach eine Vene finden.» Eine solche Herausforderung zu meistern, könnten die Auszubildenden im Seniorenpark ganz praktisch üben. Indem sie den Lernenden klare Ziele mitgeben, wollen die Leiterinnen Bildung dafür sorgen, dass der Austausch seine Wirkung tatsächlich entfaltet, wie beide unisono hervorheben.

Teamwork über Abteilungsgrenzen hinweg – Tim Wälti, Jael von Känel, Jael Künzi und Yaël Lörtscher im Austausch.
Jugendliche begeistert
Und was meinen die Auszubildenden selbst zum vorübergehenden Jobtausch? «Die Lernenden sind begeistert und schwärmen von den Erfahrungen, die sie dabei machen», berichtet Stana Bozic. Eine Aussage, welche das Quartett, das in Frutigen Einblick in das andere Tätigkeitsfeld nehmen kann, bestätigt. «Den Wechsel vom Langzeitbereich in die Akutabteilung der Chirurgie empfinde ich als positiv, da ich meine medizinischen Kenntnisse und Fähigkeiten verbessern kann», erklärt Jael von Känel. Ihr Kollege Tim Wälti findet «den stetigen Wechsel der Patientinnen und Patienten in der Medizinabteilung besonders eindrücklich».
Jael Künzi, die zwischenzeitlich vom Spital in den Seniorenpark gewechselt hat, gefällt besonders gut, «dass ich mich intensiver mit der Biografie der Bewohnerinnen und Bewohner auseinandersetzen kann». Und ihre Kollegin Yael Lörtscher zeigt sich beeindruckt «von der engen Bindung zu den Bewohnerinnen und Bewohnern sowie der Dankbarkeit, welche uns zurückgegeben wird».
Ursula Bigler und Stana Bozic sind die Leiterinnen Bildung in der Akut- respektive Langzeitpflege der Spitäler fmi AG. Gesamthaft sind die beiden Pflegefachfrauen mit pädagogischer Weiterbildung für knapp 60 Lernende des Berufsfeldes Fachperson Gesundheit zuständig, die in den Spitälern und Seniorenzentren fmi in Interlaken und Frutigen ihre Ausbildung absolvieren.

Ursula Bigler
Ursula Bigler hat eine erwachsene Tochter, was ihr nach eigenen Angaben hilft, die Lernenden, ihre Anliegen und Bedürfnisse besser zu verstehen. In ihrer Freizeit hält sie sich viel in der Natur auf, die Zeit auf dem Weg zur Arbeit im öffentlichen Verkehr vertreibt sie sich regelmässig mit Stricken.

Stana Bozic
Stana Bozic ist Mutter zweier Kinder im Vorschulalter, mit denen sie oft unterwegs ist, im Winter bevorzugt im Schnee. Sie bezeichnet sich als Vielleserin, am liebsten sind ihr Biografien und belletristische Bücher. Zudem kocht sie gerne, mit Vorliebe Süssspeisen.
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